Fintech-Jobs für Ohio

Ohio ist auf Werbetour in der Schweiz. Es ist die Aufgabe von Valentina Isakina, Geld und Unternehmen zu finden, die in Ohio Jobs schaffen wollen. Nach Ohio? Ist das nicht Teil von Fly-Over-Country America? Wer will da schon hin? Start-Ups, die Kontakte und Kapital suchen, gehen ins Silicon Valley oder nach New York City. Ausländische Start-Ups machen einen Bogen um Ohio, denn wer garantiert ihnen, dass sie – gerade unter Trump – die notwendigen Visa erhalten? Valentina Isakina möchte diese Wahrnehmung ändern. Denn der Fintech-Hype um die beiden Küstenstädte San Francisco und New York  habe noch nie so ganz der wirtschaftlichen Wirklichkeit entsprochen, meint sie. Nach New York City hat Ohio die meisten Hauptsitze von Banken und Versicherungen in den USA. Das sind fast alles Unternehmen aus dem Second Tier, die hauptsächlich in den USA tätig sind.

Ich habe Valentina Isakina, Managing Director bei JobsOhio und zugleich Board Member des angeschlossenen Accelerators Fintech71 am 2. Swiss Fintech Days in Schlieren getroffen und mit ihr über ihre Ziele gesprochen.

 

Valentina Isakina

Privatisierte Standortförderung

Isakina ist Managing Director bei JobsOhio in Columbus. Was ich für eine ganz normale Standortförderung des Bundesstaats hielt, funktioniert völlig anders, als von mir gedacht. Typisch Europäerin, hätte ich Standortförderung für eine öffentliche Aufgabe gehalten. Weit gefehlt. Denn vor einigen Jahren hat Ohio seine Standortförderung, ganz libertär, privatisiert. JobsOhio ist ein privates Non-Profit-Unternehmen. Die Gesellschaft hat ein sehr interessantes Finanzierungsmodell. 2013 hat sie Ohios Vertriebsgesellschaft für alkoholische Getränke übernommen. Die Erlöse aus Alkoholverkäufen im Staat Ohio fliessen der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft zu. Wer sich als Start-Up von JobsOhio finanzieren lässt, muss wissen, dass die Basis diese Geldes aus Alkoholgeschäften stammt. Für Isakina ist das kein Problem. Getrunken wird immer, was für sie eine sichere Kalkulationsbasis bedeutet.

Der Accelerator Fintech71

Ihr übergeordnetes Ziel ist es, ein regionales Ökosystem von JobsOhio, Start-Ups, Venture Capitalists, Banken und Versicherungen vor Ort und mehreren staatlichen Förderprogrammen (also doch!) aufzubauen. Zu diesem Zweck wurde ein altes Industriegebäude in Columbus in einen Accelerator für Fintech-Unternehmen umgebaut.

Der Accelerator soll nach dem Evergreen-Funding-Modell arbeiten, d.h. der Accelerator beteiligt sich bis max. 6 % an den Start-Ups, die in den Accelerator aufgenommen werden. Erfolgreiche Exits dienen der weiteren Finanzierung des Accelerators. Das investierte Geld bleibt also auf Dauer im Accelerator und soll sich langfristig erhöhen.

Der Praxistest

Noch steht der Praxistest für den Accelerator aus. Gerade ist die erste Kohorte von Start-Ups ausgewählt worden. Mehr als die Hälfte der ausgewählten Unternehmen kommt aus dem Ausland, etwa zwei aus Kalifornien bzw. New York und zwei sind auch aus Ohio. Mehrere der Unternehmen arbeiten mit der Blockchain, etwa die Hälfte der Gewinner hat nicht nur gute finanzielle Aussichten, sondern verspricht auch einen Beitrag für das Gemeinwohl (z.B. in Sachen Finanzinklusion oder dem Handling von Schulfinanzen).

Die ausgewählten 10 Gewinner erhalten jeweils 100’000 US-Dollar und können für 10 Wochen vor Ort am Accelerator-Programm teilnehmen. Sie erhalten Arbeitsplätze direkt im Gebäude und haben dort sehr viel Support. Zum einen kommt der von Accenture, die für jedes ausgewählte Start-Up 20 Wochenstunden Support für die Dinge bereit hält, mit denen sich Techies nicht so gerne beschäftigen (Buchhaltung, Personal, IP-Fragen). Ausserdem gibt es ein ausführliches Mentoring durch Führungskräfte aus dem Finanzsektor. Denn die müssen sehen, dass die müssen – fernab der Technologie-Hubs – an den Entwicklungen dran bleiben und gleichzeitig nach Innen mögliche Änderungen besser antizipieren. Mindestens zwei Gründer bzw. Gründerinnen einer Firma müssen vor Ort in Columbus sein.

Über das Interesse aus dem Ausland an dem Wettbewerb hat sich Isakina gefreut. Sie hat keine Sorge, dass Visa aufgrund der derzeitigen politischen Lage nicht vergeben werden. Sie schaute mich bei meiner Frage sogar recht erstaunt hat. Aufgrund der Kürze des Programms von insgesamt 10 Wochen rät sie den Start-Ups, mit einem Besuchervisum für drei Monate ins Land zu kommen. Da es sich eher um ein „Educational Program“ handle, gebe es keine Restriktionen, wie etwa bei den Arbeitsvisa.

Aus einem Podcast mit Kara Swisher, den sie in Kentucky aufzeichnete, waren mir noch einige Standortbedenken im Gedächtnis: Es fehle im Mittleren Westen oft an Bandbreite für ausreichend gute Internetverbindungen. Es fehle ausserdem an technischem Know-How vor Ort. Die Wege seien weit. Nach Angaben von Isakina ist die technische Infrastruktur in den Städten Ohios ausgezeichnet. Auch gebe es genügend Menschen mit einer ausgezeichneten technischen Ausbildung, so dass die Start-Ups vor Ort wachsen könnten. Es brauche keine zusätzlichen Ausbildungsprogramme für Programmierung und/oder UI. Die Kenntnisse seien vorhanden. Es gehe eher darum, die Leute mit guter Ausbildung im Staat zu halten und dafür zu sorgen, dass nicht auch sie, wie viele andere vor ihnen, nach San Francisco oder New York wegziehen. Viele würden gerne da bleiben, denn die Lebenshaltungskosten seien vergleichsweise sehr attraktiv.

Und ganz alleine steht Isakina nicht mit ihrer Einschätzung: Facebook  will in der Nähe von Columbus für 750 Millionen Dollar ein weiteres Rechenzentrum bauen.

 

 

 

 

2 Gedanken zu “Fintech-Jobs für Ohio

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